Mittwoch, 31. Oktober 2012

Aerosmith - Music From Another Dimension

Band: Aerosmith
Album: Music From Another Dimension
Label: Sony Music
Spielzeit: 81:16  Minuten (Deluxe Edition)
Veröffentlichung: 02.11.2012
Website: www.aerosmith.com


Wertung: 3 von 10


Tracklist:

01 – LUV XXX
02 – Oh Yeah
03 – Beautiful
04 – Tell Me
05 – Out Go The Lights
06 – Legendary Child
07 – What Could Have Been Love
08 – Street Jesus
09 – Can’t Stop Lovin’ You (Duet With Carrie Underwood)
10 – Lover Alot
11 – We All Fall Down
12 – Freedom Fighter
13 – Closer
14 – Something
15 – Another Last Goodbye 


Bonus-CD:

01 – Up On The Mountain
02 – Oasis In The Night
03 – Sunny Side Of Love




Kurz vor Veröffentlichung der neuen Aerosmith-Scheibe konnte man von Steven Tyler folgendes über seine Kollegen von Kiss hören: "Kiss sind eine Comicband - wenn ich ein Riff von Joe Perry gegenüber einem Riff von Kiss höre, weiss ich was besser ist etc.etc." Paule Stanley gab sich angesprochen darauf recht weltmännisch  gelassen und entgegnete lediglich: "Steven muss wohl seine neue Scheibe promoten und braucht einen Realitäts-Check. Wenn die Platte draußen ist vergleichen wir einmal beide Veröffentlichungen und dann sehen wir weiter". Lässig gekontert! Abgesehen davon, dass es für einen 63jährigen ziemlich kindisch ist, über Kollegen zu ätzen, ist nun die Stunde der Wahrheit gekommen, da beide Platten erhältlich sind. Und das Ergebnis der Gegenüberstellung fällt in etwa so aus, wie wenn der FC Bayern München in Stammbesetzung ein Freundschaftsspiel bei einer Altherren-Thekenmannschaft bestreitet. Zugunsten von wem, wird im Folgenden untersucht:
Die Aero-History in den 2000ern war doch recht bescheiden: Nach dem durchaus guten "Nine Lives" und dem Hit "I Don't Wanna Miss A Thing" aus dem "Armageddon"-Film, der sich zu einem Riesenhit entwickelte, war es bald vorbei mit der Glückseligkeit im Luftschmidt-Camp. Die fürchterliche "Just Push Play" war ein einziges Fiasko, die Touren wurden lauer, die Spielzeiten kürzer und es wechselten sich nur noch Greatest Hits-Scheiben mit Live-Compilations ab. Abgesehen davon tourte man so ziemlich jedes Jahr durch Amerika, denn man muss ja auch von etwas leben und die Ex-Frauen verzichten sicher nicht freiwillig auf ihre üppigen Unterhaltsansprüche. Dazwischen gab es im Jahr 2004 eine Cover-Scheibe namens "Honkin' on Bobo", die genauso überflüssig war wie ein Sandkasten in der Wüste Gobi. Kürzlich kam dann noch eine ziemlich konfuse Steven Tyler-Biographie auf den Markt und die Streitigkeiten zwischen Perry und Tyler zogen wieder mächtig an und gipfelten darin, dass sie sich gegenseitig auf der Bühne dissten. Einmal flog Tyler nach einer Attacke von Perry sogar von der Bühne. Nach absolviertem Entzug Nr. xx gab Tyler den Bohlen in "American Idol". So weit so schlecht. Besser sah es wieder aus, nachdem bekannt wurde, dass als Produzent für ein wirklich brandneues Studio-Album Jack Douglas gewonnen werden konnte, der 70er Jahre Haus- und Hofproduzent der Bostoner. Dieser war allerdings bereits bei der Blues-Coverscheibe am Werk und konnte selbige auch nicht retten. Den gestreuten Gerüchten zufolge sollte es wieder "Back to the Roots" gehen, ohne Balladenballast und ohne aussenstehende Songwriter. Blickt man auf die Credits, so kann man dieses Statement schon einmal komplett in die Tonne treten, sind mit Diane Warren & Co genau die üblichen Verdächtigen vertreten, die bereits das Vorgängerwerk verwässerten.
Nach einem sehr spacigen Intro wird der Hörer wirklich gespannt. Leider ist das originelle Intro aber der wirkliche Höhepunkt der ganzen Scheibe, denn was in großen Teilen folgt, ist die schlichte Demontage einer ehemaligen Legende. Anstatt dem Intro ein flottes Stück im Stile von "Toys in the Attic" oder "Eat The Rich" folgen zu lassen, hören wir Steven Tyler in "Love XXX" (gesprochen "Love Three Times") ein langgestrecktes "Helloooooooooo" singen und was zuallererst auffällt ist, dass die Produktion nahtlos an "Just Push Play" anschliesst: Glatt, poliert und ohne Dampf - "Pop" statt "Rock".  Das Stück gewinnt gar keine Fahrt, wird zwar zum Ende hin etwas flotter aber kann man getrost als unwürdig für den Opener-Slot einer Aero-Scheibe betiteln. Das nachfolgende "Oh Yeah" klingt in der Tat etwas rauher, recycelt aber ein lahmes Stones-Riff und die deplatzierten Frauen-Chöre, die "Oh Yeah" skandieren, tragen auch nicht dazu bei, dass der Song besser wird. Der aktuell neue Stones-Track "Doom & Gloom" zeigt es den Bostonern, wie es richtig geht. Bereits der zweite Rohrkrepierer. Das Leck im Rohr hält weiterhin an mit "Beautiful" . 1986 feierten Aerosmith mit "Walk This Way"in einer rap-betonten Version  ihre Renaissance zusammen mit Run DMC. Den Rap gibt es anno 2012 auch, nur klingt das hier so, als würde ein alter Mann früh beim Rasieren einen Beastie- Boys-Song schmettern. So klingen jedenfalls die Verse des Songs, da rettet auch das ganz nette Perry-Riff nicht mehr viel. Als Chorus wurde dann offenbar in der "Was haben wir denn noch an Pop-Refrains"-Schublade gekramt und ein fürchterlicher Seicht-Refrain in den Song eingebaut, der nun mal so gar nicht passt. Das Leck im Rohr wird immer grösser - soll das wirklich die erste Aerosmith-Studioscheibe nach 11 Jahren sein oder machen sich die Herren nur einen Spass ? "Tell Me", der nächste Stolperstein, wurde von Tom Hamilton mitverfasst und ist die erste (fast-) Ballade der CD (und es wird nicht die letzte sein). Auch hier ist wieder Popmusik ohne Biss angesagt, der Refrain klingt billig dahingenölt und ist erneut einer Band unwürdig, die ruhige Klassiker a'la "Dream On" oder "You See Me Crying" verfasst hat. Mit "Out Go The Lights" wird auf Song 5 das erste Mal annähernd so etwas wie Rockmusik geliefert. Hier allerdings auch wieder sehr stoneslastig und mit Frauenchören, die den Song eher seicht erscheinen lassen. Desweiteren ist die Bridge des Liedes ab "Roses are Red" irgendwie kitschig. Weiterer Negativpunkt: Nach 4 Minuten ist der Song praktisch vorbei um dann nach einem Break noch 3 Minuten lang mit "Oh-Wa-Hoo"-Chören unterlegt mit einem nicht gerade spannenden Gitarrensolopart bis knapp unter 7 Minuten fortgeführt zu werden. Da braucht man starke Nerven - absolut unnötig. Nichtsdestotrotz einer der besseren Songs, was viel über diese Scheibe aussagt. "Legendary Child" klingt nicht nur so wie ein mißglücktes und aus diesem Grund damals nicht veröffentlichtes Outtake zu "Get A Grip" - Zeiten, es ist auch tatsächlich ein Überbleibsel aus dieser 20 Jahre zurückliegenden (guten) Phase. Auch hier zitiere ich wieder Paul Stanley: "Warum alte Songs veröffentlichen, die bereits damals als albumuntauglich verworfen wurden?". Diese mehr als berechtigte Frage ist Aerosmith auch zu stellen, ich wäre auf eine Antwort gespannt. Der Song kombiniert ein geklautes Led Zep-Riff mit dem Luftschmidt-eigenen "Eat The Rich", ohne jedoch dessen Härtegrad und Biss zu erreichen. Der Chorus ist zudem so spannend wie ein Rosamunde-Pilcher-Film. Auch hier sind die inflationären "Oh"'s auffällig und mehrere Nummern zuviel. Zwar ein schwacher Song aber es gibt hier noch bei weitem schwächere. Hört man "What Could Have Been Love" , der nächsten Ballade, so sollte  der Truppe doch wirklich mal jemand sagen, dass man als Rockband 2012 mit einer süßlichen Ballade keinen Hit mehr landet. Es scheint an Ihnen völlig vorübergegangen zu sein, dass es heutzutage nicht mehr reicht, ein "More Than Words" oder "I'll be There For You" zu schreiben. So eine Herzschmerz-Ballade wirkt bei älteren Herren dann doch etwas peinlich, wobei man sagen muss, dass der Song so ziemlich der beste auf "Music From Another Dimension" ist. Er geht gut ins Ohr, hat eine epische Melodie und ist gut arrangiert. Nur bereits schon in mehrfacher Fassung auf vorherigen Aerosmithscheiben gehört und das auch um Einiges besser.Tyler finde ich klingt hier langsam müde und alt.  "Street Jesus" ist dann einer der wenigen wirklich guten Songs , die einigermaßen rocken. Wenn man es genau nimmt eigentlich der Einzige. Doch auch hier werden Fehler begangen. Nicht etwa dergestalt, dass das Lied ziemlich von "Rats In The Cellar" kopiert wurde, nein, statt einem kurzen knackigen Rocksong wird er auf über sechs Minuten gestreckt und das "Street Jesus" am Ende hin derart oft wiederholt, dass man sich vor die Boxen knieen möchte, um darum zu betteln, dass der Song doch bitte endlich endet. Wieder eine verpasste Chance. Dass Tyler in der Jury von "American Idol" (dem Gegenstück zu DSDS bei uns) sitzt, hat leider auch seine Spuren hinterlassen und zwar in Form  von "Can't Stop Loving You", einer seichten Country-Ballade, die zusammen mit der AI-Siegerin Carrie Underwood vorgetragen wird. Die Nummer wäre auf einem Tyler-Solo-Album (sofern dass denn einer benötigt) nicht weiter tragisch aber auf einem Aerosmith - Album ?? Nein Danke. Einer der absoluten Tiefpunkte der Scheibe und der Bandkarriere. Erinnert mich an eine Gruppe aus New Jersey, die auch mal als Rockband gestartet ist und sich dann auserkoren sah, einen auf Nashville-Seicht-Pop-Country zu machen. Angebiedere an ein jüngeres Publikum und die Gitarren wohlweisslich in den Hintergrund gemixt. "Lover A Lot" soll dann wohl wieder etwas den Rockfan zurückbringen, schafft mit seinem eintönigen sich dauerwiederholenden Refrain jedoch nur, dass man die Skip-Taste betätigt. Nervtötend. Weil es so schön war, steht dann schon wieder die nächste Ballade an, die da "We All Fall Down" heisst und von Diane Warren im Alleingang geschrieben wurde, in der Hoffnung, dass sich der "I Don't Wanna Miss A Thing"-Erfolg wiederholen mag. Klingt wie am Reißbrett entworfen (wurde der Song wahrscheinlich auch) und schon Tausendmal gehört. Die Drums klingen hierbei erschreckend synthetisch und Gitarren sind einmal mehr Mangelware. Auf "Freedom Fighter" ist einmal mehr Joe Perry am Mikrofon zu hören, der wohl eine der langweiligsten und monotonsten Stimmen im gesamten Rockzirkus hat. Offenbar traut sich das ihm keiner zu sagen und der von ihm vorgetragene Song plätschert auch nur langweilig vor sich hin ohne zu überzeugen. "Closer" geht auch als Ballade durch (nein nicht schon wieder!!!!!!!!!!!!!!!!) und verkackt auf ganzer Linie durch seinen in allen Belangen misslungenen Refrain, die Band klingt saft- und kraftlos und man reibt sich weiter verwundert die Augen bzw. Ohren bei dem hier Dargebotenen. Irgendwie merkt man, dass das keine richtige Band mehr ist, die Spass am gemeinsamen Musikmachen hat und ein Kollektiv darstellt, anders kann ich mir dieses Fiasko wahrlich nicht erklären. Das ist unterdurchschnittliche Auftragsarbeit , die den Namen "Aerosmith" nicht  verdient hat  Ein Song wie "Something" (wieder von Perry intoniert) wäre früher nicht einmal eine B-Seite wert gewesen, ein weiterer absolut nichtssagender Song, bei dem man erleichtert ist, wenn er vorbei ist. Ein weiteres  Lowlight haben sich die Jungs für ganz zum Schluss aufgehoben. Eine erneute (!!) Ballade namens "Another Last Goodbye", auf der nur Tyler mit Piano und Streichern zu hören ist. Der Song führt irgendwie nirgendwo hin und erinnert höchstens an Aufwärmübungen von Steven Tyler vor einem Konzert. Wie vor allem der schief gesungene Chorus, bei dem man wirklich kurz davor ist, das Ganze für eine Parodie zu halten, die Qualitätskontrolle passiert hat, ist mir ein Rätsel. Über die weiteren drei Songs der "Deluxe"-Edition noch Worte zu verlieren erspare ich mir, den  sie ziehen das Niveau noch weiter in den Keller (ein von Tom Hamilton gesungenes recht hüftsteifes Stück, ein Popsong sowie ein akustisches Nichts wieder mit Perry an den Stimmbändern) und macht mich nur noch wütender als ich es mittlerweile schon bin.
Von einer Band dieses Stellenwerts habe ich seit langem kein belangloseres, unrockigeres, balladenbetonteres, unharmonischeres und letztlich schwaches Werk gehört als "Music From Another Dimension". Den Titel muss man geradezu dergestalt deuten, dass diese Dimension eine ist, deren negatives Ausmaß man sich vorher wirklich nicht vorstellen konnte. Dass ich mit dieser Meinung nicht alleine dastehe, zeigen die mehrheitlich negativen Stimmen im Forum auf der bandeigenen Website (siehe oben).

Um den Faden von "Kiss vs. Aerosmith" von oben nochmals aufzunehmen: Kiss sei "eine Comicband" ? Schauen Sie sich das Cover Ihrer neuen Scheibe an, Herr Tyler, ist das nicht ein Comic ? Die Riffs von Perry wären "in einer anderen Liga als die von Kiss"? Mag sein, wären sie denn auf MFAD zu hören. Der Vergleich zwischen "Monster" und "Music From Another Dimension" ist eigentlich schon Blasphemie. Wo auf der einen gerockt wird, als ob es kein Morgen gäbe, bekommen wir auf der anderen fade und kraftlose Kost geboten, mit Songs, die dem Namen der Band auf dem Cover unwürdig sind. Diese Scheibe reiht sich bei mir  nahtlos in die "Hall Of Shame" neben "Lost Highway", "Dedicated To Chaos" , "Chinese Democracy" und ein paar anderen schwarzen Schafen ein. Sollte das wirklich die letzte Aerosmithscheibe sein, und danach sieht es ja nun wirklich aus, so ist das ein wirklich trauriger Abschied. 

Für die sehr raren, einigermaßen  guten (aber bei weitem nicht brillanten!) Momente der Scheibe, namentlich das coole Intro,  "What Could Have Been Love", "Out Go The Lights" sowie "Street Jesus", welche jedoch auch ihre Macken haben, vergebe ich 3 Gnadenpunkte. Der Rest spottet zum Teil wirklich jeder Beschreibung. Mir ist ein Rätsel, wie in so mancher Fachpresse das Werk als das beste Aerosmith-Teil seit Jahrzehnten abgefeiert wird. Kann an sich nur an den großflächig platzierten, ganzseitigen Anzeigen im Heftinneren liegen. Hier gibt es jedoch die (in diesem Fall leider schmerzhafte) unbeeinflusste Kritik. 

R.I.P. Aerosmith - ihr wart mal echte Helden!


Martin

Sonntag, 28. Oktober 2012

Red Lamb - Red Lamb


Band: Red Lamb
Album: Red Lamb
Label: Hänsel & Gretel
Spielzeit: 49:17 Minuten
Veröffentlichung: 09.11.2012

Wertung : 6 von 10

Tracklist:

1. The Cage
2. Runaway Train
3. Standby Passenger
4. One Shell (In The Chamber)
5. Puzzle Box
6. Watchman
7. Keep Pushing Me
8. Get Up
9. Don’t Threaten To Love Me
10. Angels Of War
11. Warpaint
12. Temptation


Der böse Wolf liegt tot am Boden. Dahingerafft vom roten, blutbesudelten Lamm, dessen Artgenossen aufgeregt umhertanzen. So die Situation auf dem Frontcover von Red Lamb, dem selbstbetitelten Erstlingswerk der Band des ehemaligen Anthrax-Gitarristen Dan Spitz.

Verkehrte Welt, mag man beim Anblick des Red Lamb Covers denken und sich fragen, warum ? Die Hintergründe dieser Veröffentlichung sind für Betroffene sicher genauso "verkehrte Welt" : Autismus. Dan Spitz packt dieses Thema an, welches in der Öffentlichkeit zwar angekommen ist, seiner Meinung nach aber noch immer zu wenig Beachtung findet. Spitz und Ehefrau Candi sind Eltern eineiiger, autistischer Zwillinge und möchten mittels Red Lamb mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.
  
„Es wird Zeit, dass sich mal jemand aus der Musikszene um das Thema Autismus kümmert und die Welt aufrüttelt. Wir haben Sprecher von Nascar, Dan Marino und andere aus dem Sport. Es ist höchste Zeit, dass jemand, der gleich zwei Autisten im Haus hat, mal Tacheles redet,wie es sich für echten Metal gehört. Ich stamme aus einer Zeit, wo ein Liedtext etwas Wahres verkörperte, was die Welt verändern konnte. Jetzt ist es an der Zeit, die Leute wissen zu lassen, dass der Autismus bereits epidemische Ausmaße angenommen hat, da jedes 88. Neugeborene (jeder 54. Junge) als innerhalb der autistischen Skala diagnostiziert wird. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, werden noch mehr Menschen unter den Folgen zu leiden haben. Autismus ist jetzt in deinem Viertel angekommen.“

Die Bemühungen sind aller Ehren wert, zumal von jedem verkauften Tonträger 50 Cent an eine entsprechende Hilfsorganisation fliessen.

Zur Musik:

Die 2010 gegründete Band, bestehend aus Dan Spitz (Gitarre, Bass), Don Chaffin (Vocals) und Patrick Johnsson (Drums) wirft nun am 9.November das erste Album auf den Markt. Allerdings gebe ich zu bedenken dass die Platte schwierig ist, denn selbst nach wiederholten Durchläufen stellt sich bei mir leider kein aha-Effekt ein. 12 Songs rattern durch meine Lautsprecher und haben, jeder für sich, durchaus Qualität. Spitz nagelt allerdings ein Riffgewitter nach dem anderen aus dem Griffbrett, Drummer Patrick Johnson strapaziert seine Doublebass technisch perfekt aber nicht gerade innovativ (das Drumset besteht anscheinend nur aus Snare- und Bassdrum, Hi-Hat und Crashbecken. Toms und Ridebecken besitzt der Mann anscheinend gar nicht, oder die wurden Opfer des Mixers). Sänger Don Chaffin knödelt belanglos nach hinten gemischt vor sich hin und klingt auffällig stark nach Dave Mustaine...Zufall ?

So stellt man sich bereits nach kurzer Zeit die Frage, ob da noch was kommt oder ob das alles gewesen sein soll, zu einheitlich und wenig aufregend ist das Ganze. Schade, denn mit Runaway Train (schöner Refrain), One Shell (In The Chamber) inklusive kurzen aber schönen Gitarrensoli und vor allem Angels Of War, dem einzigen Song mit einem gelungenen Break und etwas Abwechslung in Form einer weiblichen Backgroundstimme, zeigt Spitz dass er es sehr wohl raus hat. Was ihn dazu trieb, Dave Mustaine mit ins Boot zu holen, wird nur er wissen, doch dieser drückt der Scheibe einen fetten Megadeth-Stempel auf und vorbei ist es mit der Eigenständigkeit.

So ziehen sich 49 Minuten doch sehr lang dahin, denn letztlich benötigt eine gute Platte, und da stelle ich mir immer wieder die Frage warum manch erfahrener Musiker das nicht wahrhaben will, ein, zwei Unterbrechungen in Form einer ruhigeren Nummer oder etwas Abwechslung anderer Form. Möglichkeiten gibt es ja genug. Aber nichts von alledem, Spitz drückt den Tempomat und rattert mit gleichbleibendem Schema dem Ende der Platte entgegen.
Somit bleibt die Platte unter ihren Möglichkeiten und bekommt 6 Punkte von mir.












The Pineapple Thief - All The Wars

Band: The Pineapple Thief
Album: All The Wars
Spielzeit: 44:34 min.
Plattenfirma:
K Scope (Edel)
Veröffentlichung: 07.09.2012

Homepage: http://www.pineapplethief.com

WERTUNG: 8,5 von 10

  
Tracklist

1. Burning Pieces
2. Warm Seas
3. Last Man Standing
4. All The Wars
5. Build A World
6. Give It Back
7. Someone Pull Me Out
8. One More Step Away
9. Reaching Out


Manche Bands gehen einfach an einem vorbei. In meinem Fall auch die Engländer von The Pineapple Thief, die mit "All The Wars" in 2012 bereits ihr achtes Studioalbum veröffentlichen. Nunja, angesichts der Fülle und manchmal auch Überfülle an angebotener Musik muss man nicht alles kennen. Vom der Phonetik des Namens verwechsel ich die Truppe meist mit Porcupine Tree, wobei The Pineapple Thief doch in eine etwas andere Richtung gehen, zumindest auf ihrem neuen Opus "All The Wars. Stilistisch sind sie schwer einzuordnen, was ich jedoch nicht verkehrt finde bei manchen schubladendenkenden Musikkonsumenten. Die Truppe hat einen recht eigenständigen Sound, der sowohl ruhige als auch alternative sowie Prog-Knge bietet. Die Scheibe hat einiges an Abwechslung zu bieten und nimmt einen mit auf eine Reise in verschiedene Klangwelten. "Burning Pieces", eine recht aggressive Nummer, ist als Einstieg gut gewählt und die Scheibe nimmt gut Fahrt auf. Auffällig die sehr angenehme hohe und gleichzeitig klare Stimme von Bruce Soord, die mich irgendwie an den Vocalisten von Flying Colors erinnert von der Stimmfarbe her. "Warm Seas" braucht einige Anlaufzeit, ehe der Song in Schwung kommt, der ungewöhnliche Chorus mit Stakkatto-Schlagzeuguntermalung ist gewöhnungsbedürftig aber hat das gewisse Etwas. Dass es Pineapple Thief auch ruhiger können zeigt "Last Man Standing", doch auch dieser Song explodiert im Chorus und ist einer von mehreren Ohrschmeichlern. Nach dem ersten Hören bleibt zwar wenig hängen, aber das ändert sich mit jedem neuen Durchhören. Die Songs enthalten sehr viele Spielereien, so dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Der formidable Titeltrack beginnt als Akustikballade und wird gegen Ende hin ein sehr atmosphärisch-symphonischer Song, dessen Melodie einen nicht mehr loslässt. Einen kleinen Hit haben die Jungs auch auf der Pfanne, dieser heisst "Build a World", startet mit Piano und enthält von Anfang bis Ende nur ein kleines spartanisches Riff, um das der Song herum aufgebaut wird, das aber derart gekonnt und ohrwurm-tauglich, dass es wirklich Laune macht. Als Singleauskopplung sicher Radio-Airplay wert. Das knapp siebenminütige "Give It Back" ist mir dann aber doch etwas zu sperrig und auch zu lange, die "Give It Back"-Wiederholungen am Ende sind etwas zu viel des Guten und nerven leicht. Mit "Someone Pull Me Out" wird man für diesen einigen Ausfall aber wieder entschädigt, ein ebenfalls mit Streichern untermalter Song, der gerade für die anstehend kalte Jahreszeit gut geschaffen ist und auch hier wieder eine angenehme Stimmung kreiert. "One More Step Away" geht ebenfalls in diese Richtung, vielleicht befinden sich doch etwas zu viele ruhige Songs auf der Scheibe, diese haben aber wirklich Klasse. Beim 10minütigen "Reaching Out" denkt man sich dann "Och ne schon wieder ruhig und symphonisch?" - anfangs ja aber gegen Ende wird der Song wirklich heavy und steigert sich zusehends bis hin zu einem orgiastischen Finale. Der optimale Ausklang eine sehr guten Scheibe einer Truppe, die ich fälschlicherweise bislang noch nicht kannte. Aber es ist nie zu spät, gute Musik für sich zu entdecken. Ich werde mal in die älteren Pineapple-Werke reinhören.  Klassenziel somit mehr als erreicht!
  

Samstag, 27. Oktober 2012

Mob Rules - Cannibal Nation





Band: Mob Rules
Album: Cannibal Nation
Spielzeit: 47,35  Minuten
Plattenfirma: AFM Records
Veröffentlichung: 19.10.2012

Wertung: 9 / 10

Trackliste:

1.Close My Eyes
2. Lost
3.Tele Box Fool
4.Ice And Fire
5.Soldiers Of Fortune
6.The Sirens
7.Scream For The Sun (May 29th 1953)
8.Cannibal Nation
9.Sunrise

Teutonen – Metal hat  ja gelegentlich eben diese, dem Gattungsbegriff entsprechende, historisch rankende Bürde mit sich zu tragen: Charakteristiken, wie einen Tick zu glänzende Riffs, glatt und faltenlos gewienerte Songstruktur, textliche Bemühtheit, feststellbarer Hang zum Pathos, zählen da unter anderem rein.
Die Niedersachsen Mob Rules stehen nun schon seit 1994 in der alemannischen Traditionslinie für Power – Melodic Metal.
Mit  Cannibal Nation, ihrem 7.Studiowerk, knüpfen die Rules als Bewahrer und Denkmalpfleger für diesen Sektor an und übertreffen, dies sei hier mal so nebenbei eingeflochten, die andere große deutsche Wächter – Band mittlerweile um einige Punkte.
Eine ziemliche Wuchtbrumme ist "Cannibal – Nation" nämlich schon.
Mob Rules, das sind auch auf diesem Album, atonal gesehen, die großen Sonnenuntergänge mit dem Drachenboot im schemenhaften Halbschatten. 
Da sind tragisch umkämpfte Schlachtfelder mit der einsamen Battalionsfahne, nachdem sich der Pulverdampf nebulös verzogen hat. 
Die windumtosten Ruinen einer einsamen Kreuzfahrerburg im Wüstensand. 
Die letzten verwehenden  Fußstapfen eines Bergsteigers in einer klirrenden Eiswüste.  
Das sind auch die Texte (Everestbesteigungen, Einzelkämpfer, der Titeltext befasst sich mit der Story des afrikanischen Despoten Bokassa...) die jenes Hörgefühl  stimmungsvoll umsetzen.
Die große K-Frage: ist das jetzt nun allesamt große Kunst, Kommerz oder hoffnungsloser Kitsch?
Ich kann und will das nicht beantworten. Man muss diesem kalkulierten Bombast auf jeden Fall eine alles überragende  Musikalität bescheinigen. Und eine hervorstechende  Dramaturgie.
Klaus Dierks, der Sänger, der in seinen besten Momenten, im Titel „Scream fort he Sun“ zum Beispiel, ganz nahe am großen DIO  kratzt,  sagt dazu: „...Mitunter wurde jede einzelne Note dreimal umgedreht, bevor wir wirklich zufrieden waren…“ 
Glaube ich sofort. 
Hier wurde nichts, aber auch gar nichts, dem Zufall überlassen und so gibt es auch keinen einzigen wirklichen Ausfall ("Tele Box Foul", der 3. Titel fällt für  mich etwas ab…) zu vermelden.
Man hört diesem Album verdammt noch mal an, daß hier um jedes Detail gefeilt wurde, das klassifiziert die Band auch ein wenig ins Prog – Metal – Gefilde.
Faszinierende  Gitarrenlinien der Herren Mineur und Luedke, eingebettet in technisch brillanter Soundbrachialität, je nun, diese Scheibe hat vor allem ein kraftvolles Volumina. Und das über die gesamte Spielzeit hinweg.
Wir ziehen von der Hauptpunktezahl 10 nur einen klitzekleinen einzelnen Skontowegnehmer für manchmal etwas ZU rosafarbene  Schiebewolken ab.
Theaterdonnerrelegation sozusagen.
Und bieten der Einwertung des aktuellen Rock – Hard – Magazins im November 2012 damit offen Paroli.
So.
Album des Monats Oktober 2012.

Stephan Schneider






Dystopolis - Sons Of A Silent Age

Band: Dystopolis
Album: Sons Of A Silent Age
Spielzeit: 45:11 min.
Plattenfirma: Eigenproduktion
Veröffentlichung: 29.01.2012
Homepage: www.dystopolis.de


WERTUNG: 7,5 von 10


Trackliste:

01. Sons Of A Silent Age
02. The Corporation
03. Dystopolis Rising
04. Anthem For A Stalker
05. Virtual Warrior
06. Human Breeding Fields
07. Necrofusion Powerplant
08. Resistance
09. Jack's Pandemonium

Eine Eigenproduktion aus dem Norden Deutschlands, genauer gesagt aus Bremen, ist vor einigen Tagen auf meinen Schreibtisch geflattert. Obwohl die Scheibe eigentlich bereits Anfang des Jahres erschienen ist, möchte ich sie euch nicht vorenthalten. Denn was DYSTOPOLIS hier abliefern ist aller Ehren wert. 2008 gegründet aus den Resten der Band NEXUS haben sie sich einem Endzeitkonzept verschrieben, das in einer postnuklearen, kriminellen und tyrannischen Welt spielt. Und verbinden dieses Konzept mit einem an ICED EARTH und VIRGIN STEELE erinnernden Sound, voll epischer Melodien und einem gelungenen Wechsel zwischen ruhigen Parts und brachialen Doublebassgewittern. Unterlegt mit Keyboardklängen, die mir persönlich aber oft zu eintönig sind. 


Dies ist aber einer der wenigen Kritikpunkte, denn Stücke wie "Dystopolis Rising" können mit einem ausgefeilten Songwriting und Hymnencharakter vollauf begeistern. Oder auch der kraftvolle Refrain bei "Anthem For A Stalker", der aber erst nach mehrmaligem Hören so richtig zündet. Übrigens benötigt das gesamte Album, um sämtliche Eigenheiten und Details zu erfassen, mehrere Durchläufe. Dann macht "Sons Of A Silent Age" aber immer mehr Spaß. Für die MANOWAR/VIRGIN STEELE Fraktion kommt mit "Virtual Warrior" auch genau der richtige Nackenbrecher. Ehrlich - DYSTOPOLIS machen verdammt viel richtig. Gut, manchmal können sie den Spannungsbogen nicht über die komplette Spielzeit der meist überlangen Songs retten, doch das ist nur ein kleiner Kritikpunkt. Wer es ein wenig schleppender mag, wird mit "Necrofusion Powerplant" glücklich werden. 

DYSTOPOLIS haben zwischen all den genannten Referenzen bereits einen eigenen Stil gefunden, den sie hoffentlich weiter verfolgen werden. Neues Material ist ja bereits in Arbeit. Plattenfirmen, die meinen SABATON wären konkurrenzlos, sollten die Bremer mal antesten, da wartet eine richtig gute talentierte Band darauf entdeckt zu werden. Wenn das nächste Mal auch das Artwork zur Musik passt, dürfte DYSTOPOLIS voll durchstarten. Hoffentlich wird das stille Zeitalter nicht zu stumm und ich darf weiteren Taten der 5 in Zukunft lauschen. Starkes Debüt.

Markus


Freitag, 26. Oktober 2012

Orden Ogan - To The End




Band: Orden Ogan  
Album: To The End 
Spielzeit: 54:42 min. 
Plattenfirma: AFM Records  
Veröffentlichung: 26.10.2012 
Homepage: www.ordenogan.de 
 

WERTUNG: 9 von 10  

Trackliste:  
01. The frozen few  
02. To the end 
03. The things we believe in 
04. Land of the dead 
05. The Ice Kings 
06. Til the stars cry out 
07. The world of ice 
08. Dying paradise  
09. Mystic Symphony 
10. Angels war 
11. Take this light 

Line up:  
Seeb Levermann – Guitar & Vocals  
Tobi Kersting – Guitar 
Niels Löffler – Bass 
Dirk Mever-Berhorn – Drums

Erstmalig sah und hörte ich “Orden Ogan“ 2009 oder 2010 im Rocktempel zu Kerkrade (NL) als Supportband für, ich glaube, Dan Baird. Und um ehrlich zu sein, der Gig gefiel mir damals überhaupt nicht. Doch wie das nach Konzerten so ist habe ich dann doch am Merchandisingstand eine CD von “Orden Ogan“ mitgenommen. Die CD war dann doch besser als befürchtet. Einige Songs gefielen mir sogar ziemlich gut.

Nachdem ich dann 2010 mir das Album “Easton Hope“ zu Gemüt geführt habe war ich umso mehr auf das mir jetzt zur Rezension vorliegende neue Album “To The End“ gespannt.

Um es vorweg zu nehmen – mit “ToThe End“ sind “Orden Ogan“, wenn nicht schon mit “Easton Hope“, nun endgültig den Kinderschuhen entstiegen.

Feinster Hardrock / Heavy-Power-Metal der Sauerländer aus Arnsberg. Die Kompositionen sind vom ersten bis zum letzten Song sehr gut arrangiert, mit schönen Tempowechseln und Soli's sowie einem chormässigen und hymnenhaften Gesang.

Bereits das Intro “The frozen few“ führt einen zum ersten Höhepunkt des Albums, dem Titelsong “To the end“. Dieser Song ist einer der wenigen, welcher nicht so sehr im Chorgesang mit hymnenhaften Refrain daherkommt.
Weiter geht’s mit wirklich starken Songs. Mit “The Ice Kings“ nimmt dann eine wirklich gefühlvolle Ballade erst einmal ein wenig das Tempo aus dem Album um dann mit “Til The stars cry out“ dem nächsten Höhepunkt entgegenzusteuern.
Mit “This world of ice“ geht es dann etwas schwerfällig in Richtung Doom-Metal – nicht schlecht ! “Dying Paradise“ haut einen dann wirklich aus den Schluppen.
Mit “Mystic Symphony“ und“Angels war“ folgen dann noch wirklich 2 gute Songs, die keine Wünschen offenlassen. Ledig der Rausschmeißer, “Take this light“ trifft nicht so ganz meinen Geschmack. Aber das kann den hervorragenden Eindruck des Albums nicht verwässern.

Erwähnenswert ist auch noch die sehr gelungene Produktion des Silberlings – weiter so !

Das Album ist auch als Digipak mit 2 weiteren Bonustracks erhältlich.

Oldwoodstock

Black Country Communion - Afterglow




Band: Black Country Communion
Album: Afterglow
Spielzeit: 57:51 Min.
Plattenfirma: Mascot (Rough Trade)
Veröffentlichung: 26.10.2012
Homepage: www.bccommunion.com

Wertung: 10 von 10

Tracklist :

01. Big Train
02. This Is Your Time
03. Midnight Sun
04. Confessor
05. Cry Freedom
06. Afterglow
07. Dandelion
08. The Circle
09. Common Man
10. The Giver
11. Crawl


"Was hält schon ewig ?" mag manch einer dieser Tage denken wenn er sich Afterglow, die neue Platte der Black Country Communion anhört. Drei Jahre nach der Gründung dieser fantastischen Band scheint der Ofen nämlich schon wieder aus zu sein. Leader Glenn Hughes spricht offen aus dass er ohne regelmäßige Liveauftritte nicht gewillt sei weiterzumachen, sein höchst umtriebiger und überaus erfolgreicher Mitstreiter Joe Bonamassa indes zieht an der anderen Seite des Seils...und deshalb stehen die Sterne schlecht für die Gruppe.

Was dann bleiben wird, sind drei herausragende Alben und der phänomenale Konzertmitschnitt "Live Over Europe". So erscheint das dritte Studiowerk, Afterglow (Abendrot) dieser Tage via Mascot (Rough Trade) höchstwarscheinlich als Schwanengesang der Supergroup.
Zum nahenden Ende beschert uns die Band allerdings nochmal einen sehr schmackhaften Leichenschmaus. 11 Titel voller Energie, Härte, aber auch Gefühl und Melodie hat Glenn Hughes überwiegend im Alleingang für eines seiner kommenden Solo-Alben komponiert. Aus Zeitmangel musste die Produktion jedoch innerhalb von nur fünf Tagen abgehen, somit blieb keine Zeit für Experimente. Hughes schreit sich gekonnt die Seele aus dem Leib, kann aber auch die wenigen ruhigeren Momente wunderbar gefühlvoll interpretieren. Bonamassa hält sich auffallend zurück, drückt seinen Stempel aber trotzdem auf. Jason Bonham peitscht seine Mitstreiter präzise wie der Taktgeber einer römischen Galeere ein und bildet zusammen mit Hughes' Bass das bekannt solide Fundament. Für Abwechslung und Lockerheit sorgt die dezente Orgel des ebenfalls stets auf mehreren Baustellen agierenden Derek Sherinian.

Afterglow hat, und das ist das Sensationelle an der Scheibe, keine wirklichen Schwachpunkte. Trotz oben genannter Auflösungsgerüchte habe ich den Eindruck dass die Band mit sich im Reinen ist und Spaß daran hat, gemeinsam zu musizieren, zumindest wirken die Songs dementsprechend homogen und ausgeglichen. Nach den beiden harten Rockern Big Train und This Is Your Time steigen wir mit Sherinians Orgelintro in Midnight Sun, einer ganz feinen Nummer ein, die schon bald zu den Höhepunkten der Band zählen wird. Der hymnische Refrain, die stets präsente Orgel, Hughes Gesangsleistung...perfekt. Die Komposition als solche ist überaus eingängig und stellt einen ersten Höhepunkt auf Afterglow dar.
Confessor, die vierte Nummer, erinnert gelegentlich an harte Led Zeppelin, vom Refrain mal abgesehen, welcher die Nummer aber eher aufwertet. Nachdem sich Hughes und Bonamassa in dem hervorragenden Cry Freedom die Vocals geteilt haben, kommt mit dem Titelsong schon das nächste Highlight. Sechs Minuten voller Emotion, erneut fühle ich mich an Led Zeppelin erinnert, um Sekunden später festzustellen dass mir hier ein höchst eigenständiges BCC-Meisterwerk auf den Tisch geflattert ist. Meine Güte, was für eine feine Musik, die den Hörer durch ein Wechselbad der Gefühle jagt und ganz nebenbei auch noch spannend komponiert wurde. Meisterhaft.

Dandelion hingegen fällt im Vergleich zu seinen Vorgängern ein wenig ab, hier fehlt mir ein wenig das Überraschungsmoment, trotzdem...nach so einer Nummer würden sich andere Bands die Finger lecken.
Danach allerdings dürfen wir Zeuge des dritten Höhepunktes namens The Circle werden. Der Song spiegelt Hughes Absicht, dem Album durch den gelegentlichen Tritt auf die Bremse mehr Tiefe zu verleihen, perfekt wider. Auch wird hier wieder klar dass Glenn Hughes Status eine Ausnahmesängers nicht ohne Grund entstanden ist. Erneutes Kompliment.

Doch damit nicht genug. Die herrlich relaxt-groovende neunte Nummer Common Man verleiht dem Album, diesmal in Form von Sherinian's Keyboard- und Orgelkünsten, als auch einem wunderbaren Bonamassa-Solo, sowie herrlich treibenden Instrumental-Improvisationen eine weitere, besondere Note. The Giver, der bereits vorletzte Titel, beruhigt den Hörer auf angenehm entspannte Weise. Wieder zieht Sherinian im Hintergrund die Fäden, im Großen und Ganzen zeigt sich hier aber eine besondere Stärke der Band: Homogenität. Niemals steht ein Musiker allein dar, jeder darf mal ins Rampenlicht.

Den Abschluss bildet das dunkle Crawl, Bonamassa's tiefergelegte Gitarre und ein deutlich reduziertes Tempo sorgt für eine nahezu dunkel-traurige Atmosphäre.

Deutet sich da vielleicht tatsächlich ein baldiger Abschied an ? Ich flehe die Black Country Communion an, sich das ganze noch mal zu überlegen und gebe solange die Höchstwertung.

His Dog Bingo - Big White Ghost

Band: His Dog Bingo
Album: Big White Ghost
Spielzeit: 32:17 min.
Plattenfirma: Keksproduktion
Veröffentlichung: Herbst 2012
Homepage: www.hisdogbingo.ch


WERTUNG: 7 von 10


Trackliste:

01. Broken Horse
02. You're My Moon
03. Parallel Girl
04. Big White Ghost
05. It'll Be Easier (They Say)
06. BitterLove
07. Room 105
08. Love Is Love
09. This Will Last
10. Had To Go

HIS DOG BINGO - komischer Bandname, auch das Cover mutet seltsam an und doch gibt es auf "Big White Ghost" doch so einiges zu entdecken. Kopf der Truppe ist der Singer/Songwriter Stephan Greminger, der aus Bern stammt und doch so ganz und gar nichts typisch alpenländisches in seinen Songs hat. Denn HIS DOG BINGO spielen melancholischen Songwriter-Folk, der eher den Staub von Wüstensand atmet denn Schneepisten. Bereits bei den ersten Tönen von "Broken Horse" wird klar, hier gibt es bodenständige, auf das Nötige reduzierte, Musik zu hören. Stephan hat eine sehr angenehme Stimme und Klangfarbe und die Countryanleihen sind ebenfalls nur dezent eingestreut. 


Klar, mit Rock hat das alles nix zu tun. Noch mehr in Richtung Country geht dann "You're My Moon", welches bei den ersten Durchläufen mächtig punktet, nach dem zwölften Hördurchgang aber merklich nachlässt. Ganz anders "Parallel Girl", dass mich ein wenig an ELEMENT OF CRIME (nur ohne Blasinstrumente) erinnert - herrliches Stück und mein persönlicher Favorit auf dem Album - schöne Melodie. Der Titelsong ist mir dann zu arg reduziert (langweilig möchte ich nicht sagen), da bin ich ehrlich froh, dass dann mit "It'll Be Easier (They Say)" ein lustiger Gute Laune Song folgt, der mit einem absoluten Ohrwurm-Refrain ausgestattet ist. Mein zweiter Anspieltipp. Mit "Room 105" und dem abschließenden "Had To Go" kann der Schweizer ebenfalls bei mir für gute Laune, trotz aller Melancholie, sorgen. Ein guter Song ist einfach ein guter Song und damit hat es sich. 

Trotzdem kann mich das Debüt nicht vollends überzeugen. Zum einen ist es verdammt schwierig bei soviel Reduktion auf das Wesentliche im Song, eine kompositorische durchschnittliche Leistung mal zu kaschieren, denn eben nicht alle 10 Stücke zünden total. Zum anderen ist mir der Gesang dann teilweise zu eindimensional - ein wenig mehr dürfte sich Stephan in Zukunft schon trauen, denn er hat eine richtig gute Stimme. Auf der Habenseite kann ich echt viel Talent entdecken, das Gespür für gute Stücke ist vorhanden und mit dem richtigen Team im Hintergrund (das hier ja schon gute Arbeit abliefert) könnte HIS DOG BINGO mal für einen ganz großen Kracher sorgen. Wer mal ein wenig in einer träumerischen Herbststimmung abgleiten möchte, dem sei "Big White Ghost" bereits heute ans Herz gelegt.   

Markus

Beth Hart - Bang Bang Boom Boom

Interpret: Beth Hart
Album: Bang Bang Boom Boom
Spielzeit: 48:50
Plattenfirma: Mascot Records (Rough Trade)
Veröffentlichung: 05.10.2012
Website: bethhart.com


Wertung:  7 von 10

 

Tracklist:

01. Baddest Blues
02. Bang Bang Boom Boom
03. Better Man
04. Caught Out In The Rain
05. Thru The Window Of My Mind
06. With You Everyday
07. Spirit Of God
08. Swing My Thing Back Around
09. There In Your Heart
10. The Ugliest House On Our Block
11. Everything Must Change

 

 

Gleich zu Anfang eine Entschuldigung vorweg - ich kann mit Joe Bonamassa absolut nichts anfangen. Das wäre nun nicht weiter tragisch, man meidet die in vierteljährlichem Rythmus erscheinenden Scheiben dieses Beamtenrockers und gut ist. Problematisch wird das Ganze, wenn der Gute (?) seinen Einfluss auf andere Künstler ausübt, die man selber sehr gerne mag und diese sich dann - nicht unbedingt zu ihren Gunsten - verändern. So ist diese Review ein schwieriges Unterfangen. Als Beth Hart auf der letzten Tour zu dem grandiosen "My California"-Opus  ankündigte, dass sie gemeinsame Sache mit einem Top-Gitarristen machen werde, war meine Freude groß. Dachte ich dabei doch an Slash, mit dem sie auf ihrer letzten eigenen Studioscheibe den Track "Sister Heroine" zum Besten gab. Wie lang mein Gesicht wurde, als verkündet wurde, dass es sich um Joe B. handelt, kann man sich vorstellen. Ein paar zaghafte Versuche in das (Cover-)Werk "Don't Explain" der beiden reinzuhören waren nicht von Erfolg gekrönt und die Platte ist bis heute das einzige Beth Hart-Werk, dass ich nicht besitze. Naja, dann eben warten auf das nächste Studiowerk, welches nach dem doch sehr ruhigen aber dennoch famosen "My California" wieder als "rockig " angekündigt wurde. Leider wurden aufgrund ihrer Begeisterung und offenbar auch wegen des Erfolges von "Don't Explain" alle Pläne über den Haufen geworfen. "Bang Bang Boom Boom " (ein wirklich blödsinniger Titel!) ist alles andere als ein Rockkracher vor dem Herrn sondern noch viel ruhiger als "My California". Dies muss ja grundsätzlich nichts schlechtes heißen, ruhige Scheiben können auch famos sein. Bei vorliegendem Werk kann ich die Lobeshymnen, die man anderweitig hört leider nicht vollends teilen. "Beth Hart ist beim Blues angekommen" - so eine der Stimmen der Fachpresse. "Wäre sie da doch gleich wieder umgedreht und hätte einen anderen Hafen angesteuert" denke ich mir da. Klar war sie schon immer recht angebluest, aber hat dies doch mit eher rotziger Rock-Attitüde schön vermengt. Auf "BBBB" sind nunmehr viele Bluesballaden zu hören, die einzig und allein von Beths wirklich genialer Stimme und ihrem ausdrucksvollem Pianospiel getragen werden aber m.E. teilweise wirklich entweder langweilig sind oder sich zu oft wiederholen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass Blues die Wiege der Rockmusik ist, dennoch sind diese ganzen Neo-Blues-Bürschchen wie besagter angeblicher Wundergitarrist oder Leute wie Sayce oder Freischlader absolut nichts für mich und dazu stehe ich. Das sind im Wesentlichen aufgewärmte Sachen von früher, die langweiliger nicht sein können. Beth Hart hat es diesmal fast auch erwischt, in diese belanglose-RIchtung abzudriften, kriegt aber gottlob trotzdem noch die Kurve. "Baddest Blues" ist so bad ja nun nicht, eine wirklich gute Bluesballade, aber als Anfang eines Albums doch eher etwas deplaziert. Die Kevin Shirley-Produktion (den hat sie von Herrn B. gleich mitübernommen) ist hörbar und druckvoll wie man es von ihm kennt, für rauhe Bluestöne m.E. aber fast etwas zu geschliffen. Das swingende Titelstück schließt sich an, natürlich auch wieder genialst gesungen aber im Refrain mir irgendwie etwas zu kindisch und dümmlich. "Better Man" ist einer der leider wenigen Songs die durchaus etwas Rock-Flair in den Laden bringen, schön rauh gesungen und performed. Ein Titel, den man 110% auch auf der nächsten Tour hören wird, die Beth Ende November auch wieder nach Deutschland führen wird. "Caught Out In The Rain" ist im selben Stil wie "Baddest Blues", genau genommen unterscheidet die beiden Songs, wenn man es mal ohne Fanbrille betrachtet, nicht wirklich viel voneinander. "Swing My Thing Back Around" ist - wie der Titel schon sagt - ein reines Swing-Stück mit Bläsern und allem möglichen Trara, welches zu dem neuen Image (mehr dazu später) ziemlich passt. Muss aber nicht jedem gefallen, geht in etwa in die Robbie-Williams-Swing-Ecke, nur eben mit geilem Gesang. Nicht wirklich meine Welt. "With You Everyday" ist bereits die nächste Blues-Piano-Ballade. Also entweder ist die Musikrichtung noch beschränkter in ihren Stilmöglichkeiten als ich dachte oder es liegt wirklich an mir, dass ich den Song für das bereits dritte "Baddest Blues" auf der Scheibe halte. Erneut famos gesungen aber leider eine weitere Wiederholung von bereits Gehörtem. Endlich werden die Blueselemente auf die Seite geschoben und mit "Thru The WIndow Of My Mind" wird der mit Abstand beste Song der CD abgeliefert. Atmosphärisch, poppig aber mit Tiefgang und kein Bonamassa weit und breit. Klasse Song, der verlorenen Boden gutmacht. "Spirit Of God" ist dann zwar wieder bluesig-swingend aber mit Kick und Bläsern, sicher auch ein geiler Live-Song. "There In Your Heart" - man ahnt es bereits - ist eine erneute Bluesballade, diese aber diesmal doch etwas anders als die drei vorherigen. Hier ist auch JB an der Gitarre zu bewundern (?). Netter Song aber trotzdem. Das zweite Highlight der CD ist "The Ugliest House On The Block", den man bereits von der letzten Tour kennt. Das ist die "alte" Beth Hart wie man sie liebt mit witzigem Text dazu. Ein schöner Fun-Song, der Laune macht. Mit "Everything Must Change" klingt die CD dann balladesk aus wie sie begonnen hat. Ich habe mir die Scheibe nun sehr oft angehört und gewartet, bis es "klick" macht, aber leider warte ich da jetzt noch drauf. Mir ist das ganze etwas zu ruhig und eintönig, man kann auch sagen etwas zu langweilig. Auf der Habenseite stehen die etwas rockigeren Tracks und die wie immer über alle Zweifel erhabene Wunderstimme von Beth Hart. Was mich dann doch etwas stört, weil es m.E. absolut nicht zu ihr passt, ist der ziemliche Imagewandel der Guten. Sie macht ja nun auf 40er Jahre-Pin-Up Girl (laut eigenen Aussagen!). Nicht, dass ich falsch verstanden wäre, sie ist sicherlich sexy und schön anzusehen, doch "meine" Beth Hart war diejenige, die mit zerfetzten Jeans auf der Bühne kniet und sich ungeschminkt und nicht minder hübsch die Seele aus dem Leib schreit. Diese Zeiten scheinen offenbar vorbei zu sein, laut ihren Ankündigungen wird das Image wohl auch auf der Bühne so fortgeführt wie im Booklet zu sehen. Passt m.E. irgendwie nicht, schon gar nicht auf kleinere Club-Bühnen. Wirkt auf mich aufgesetzt und etwas nach dem Motto "Sex Sells".  So ist es wie es ist - ich bin der Meinung, Joe B. hat ihr alles andere als gutgetan, vielleicht lädt sie ja auf der nächsten CD dann doch Slash ein, der sie dann wieder auf den richtigen Weg führt. Leider die bislang für mich schwächste Beth-Hart-Scheibe. Live werde ich sie mir aber trotzdem wieder ansehen. Unten noch das Video zum Titeltrack - wer sie nicht erkennt: JA SIE IST ES WIRKLICH! Mit Fanbrille so ach und Krach noch 7 Punkte wert. Kein Vergleich zu "My California" der gar "37 Days" und doch eine mittelschwere Enttäuschung.

Martin